Dokumentation 2020

Donnerstag, 3. September 2020

 

Freitag, 4. September 2020

Fazit und Erkenntnisse

Insgesamt konnte ein positives Fazit der Konferenz gezogen werden und viele Rückmeldungen belegen, dass auch die digitale Variante angenommen und für fruchtbare Diskussionen zum Thema genutzt wurde. Die inhaltliche Auseinandersetzung der letzten Jahre um Herausforderungen bei der nachhaltigen IT-Beschaffung konnte fortgeführt und intensiviert werden. Gerade was den Fokus auf Arbeitsbedingungen und deren wirkungsvolle Kontrolle betrifft, konnten wichtige Aussprachen über die Zusammenarbeit von NGOs mit Unternehmen oder die Herausforderung von Audits geführt werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Verhandlungen zu einem Lieferketten- bzw. Sorgfaltspflichtengesetz in Deutschland und Europa zeigte sich deutlich, dass bereits viele Unternehmen der IT-Branche zeigen, dass die Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette möglich ist und die Einforderung dieser Anstrengungen von Seiten der öffentlichen Hand stärker gefordert und honoriert werden müsste.
Der Eingangsvortrag über die Arbeit von Electronics Watch verdeutlichte nochmal eindringlich, dass die Arbeit von Arbeitsrechtsorganisationen essentiell ist, um Missstände in Produktionsstätten aufzudecken und allgemein die Einbeziehung und Repräsentation von Arbeiter*innen und Gewerkschaften in den Fabriken entscheidend für Verbesserung der Bedingungen vor Ort ist.

Die Konferenz zeigte, dass viele Herstellerfirmen hier bereits Mechanismen und Systeme eingeführt haben, um Arbeitsstandards in Zulieferbetrieben zu gewährleisten. Weiter ist allerdings der Druck der Zivilgesellschaft in Europa wie vor Ort und Beschaffungsstellen gefordert, welche nach den konkreten Maßnahmen zur Einhaltung von Arbeitsrechten fragen und den Input von Fachorganisationen außerhalb der Fabriken nutzen, um Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu erwirken.

Beschaffungsstellen können – so zeigen die Beispiele und Anregungen der Konferenz – weiterhin sehr viel tun und dazu beitragen, dass Firmen diese konkreten Schritte, Nachweise und die Einbeziehung von Arbeitsrechtsorganisationen vornehmen. Allen voran ist durch die Verpflichtungserklärung 2019 ein Mindeststandard entstanden, auf welchen sich das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern (BeschA) und Bitkom verabredet haben. Diese Erklärung in Ausschreibungen zu nutzen und damit ein erstes Signal in den Markt zu senden, sollte für die meisten Beschaffungsstellen möglich und geboten sein.

Die Diskussionen auf der Konferenz v.a. über die Erkenntnis, dass Sozialaudits nicht etwa das Ende der Verantwortung von Unternehmen sind, sondern immer erst ein Anfang, oder dass Firmen den Input von Arbeitsrechtsorganisationen benötigen und begrüßen um mehr Missstände bei Verletzungen von Sozialstandards aufzudecken, zeigen allerdings auch, dass es weiter mutige Beschaffungsstellen braucht. Als öffentliche Einrichtung gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und über Mindestanforderungen an Nachweise über Arbeits- und Menschenrechten hinauszugehen, bspw.:

  • durch den Einkauf von Produkten, die unter sozial verantwortliche Bedingungen hergestellt wurden (wie die „fairste Computermaus“ Nager-IT)
  • durch die Mitgliedschaft bei Electronics Watch, wie es bereits die Universitäten in SH vorgemacht haben und positive Entwicklungen berichten können
  • durch das fordern ambitionierter Maßnahmen von Auftragnehmern in einem Konzept, wie Arbeitsrechte und –bedingungen im Rahmen der Vertragsausführung verbessert werden (der „dataport-Weg“, https://www.dataport.de/fachartikel/wir-moechten-es-genau-wissen/)

Die in 2020 und in den vorherigen Konferenzen aufgezeigten Beispiele solcher Beschaffungsstellen sind enorm wichtig, um die konkreten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen aufzuzeigen und so weitere Einrichtungen zu motivieren, die Bedeutung und Wichtigkeit von Sozialstandards entlang der Lieferkette zu thematisieren, im kommenden Vergabeverfahren zu berücksichtigen und in Zusammenarbeit mit Auftragnehmern und Herstellern, zielführende Maßnahmen zu vereinbaren.
Zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland und in den Produktionsländern werden weiterhin nachfragen, wie Beschaffungsstellen ihrer Verantwortung hierbei nachkommen und aufzeigen, wie diese Verantwortung entlang der Lieferketten eingehalten werden kann.
Die Konferenzreihe zu sozialverantwortlicher IT-Beschaffung wird auch in den kommenden Jahren weitergehen und genau diese Fragen weiterbearbeiten. Für 2021 ist das Bremer Entwicklungspolitische Netzwerk (BeN) in Vorbereitung, die Konferenz auszurichten, und für 2022 steht das Eine Welt Landesnetzwerk Bayern in den Startlöchern, die Veranstaltung wieder im Süden Deutschlands stattfinden zu lassen.
Wir hoffen, dass die Konferenz 2020 einen Beitrag dazu leisten konnte, dass sie sich in ihrer Kommune und Region für nachhaltige Beschaffung von IT-Geräten einsetzen, als Beschaffungsstellen motiviert und fachlich geschult sind, Sozialkriterien in ihrer nächsten Ausschreibung von IT zu fordern, und so Unternehmen unterstützen, welche bereits weitreichende Maßnahmen durchführen, entlang ihrer Lieferketten Menschen- und Arbeitsrechte zu schützen.

Auf ihre positiven Anregungen, Beispiele und Erfahrungen über die Stärkung von Menschen- und Arbeitsrechten weltweit freuen wir uns dann auf der nächsten Konferenz!

Markus Schwarz & Wiebke Schümann 

Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V.