Donnerstag, 3. September 2020
Den Vortrag können Sie hier nachhören:
Im Eröffnungsvortrag berichtet Omana George, Monitoring-Koordinatorin über die Arbeit von Electronics Watch und wie die Organisation vor Ort in Produktionsländern mit lokalen Organisationen, Gewerkschaften und Arbeiter*innenvereinigungen zusammenarbeitet, um Missstände in Fabriken aufzudecken und Fabriken sowie die Firmen, die dort (u.a. für öffentliche Auftraggeber) produzieren lassen, zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu bewegen.
Es zeigte sich deutlich, dass oftmals erst durch die Arbeit von Electronics Watch und deren Partnerorganisationen, Arbeitsrechtsverletzungen in Produktionsstätten aufgedeckt werden und die in den Fabriken produzierenden Firmen zur Behebung der Probleme und u.a. zu Entschädigungszahlungen gebracht werden können.
Ein beschriebener Fall in Thailand, in dem u.a. auch Hewlett-Packard involviert war (siehe Artikel hier), betraf auch den norddeutschen IT-Dienstleister dataport. Dieser fordert seit 2013 ein Konzept der Bieter, welches Missstände entlang der Lieferkette überwachen und aufheben könnte. Sehr erfreulich führten hier der Bericht von Electronics Watch und das Einschreiten von HP zu Entschädigungszahlungen für die betroffenen Arbeiter*innen. (siehe dazu auch hier ein Bericht von Henning Elbe, dataport: „Nachhaltige Beschaffung: Wir möchten es genau wissen“)
Electronics Watch schult vor Ort Mitarbeiter*innen aus der Produktion, das Monitoring selber durchzuführen. Die Mitarbeitenden dokumentieren so Verletzungen der Arbeits- und Menschenrechte und haben eine Handhabe, um für Ihre Rechte einzustehen.
In der Diskussion nach dem Vortrag, ist Omana George auf die Verbesserung der Produktionsbedingungen in den letzten Jahren eingegangen, die durch das Monitoring erzielt werden konnten. Die Corona-Pandemie bringt nun erneut Herausforderungen und dramatische Konsequenzen für die Produzent*innen. Testimonials können hier auf der Homepage von Electronics Watch eingesehen werden.
Nachdem zur IT-Konferenz 2019 in Leipzig die ILO-Verpflichtungserklärung überarbeitet wurde, stellte sich Frau Ilse Beneke von der Kompetenzstelle für Nachhaltige Beschaffung (KNB) – zusammen mit Felix Elschner als Verhandlungsführer von Bitkom – der Frage, inwiefern es bereits Erfahrungen mit der Erklärung gibt und welche Wirkung diese bereits entfalten konnte.
In ihrer Präsentation ging Frau Beneke darauf ein, wie die Verpflichtungserklärung aufgebaut ist. Sie zeichnete zudem die Implementierung der Verpflichtungserklärung nach und gab einen Überblick über die Historie. Diese formuliere als gemeinsame Vereinbarung mit der Industrie einen Mindeststandard, dem sich Unternehmen verpflichten die von Beschaffungsstellen abgefragten nachweise zu erbringen. Welche Form der Nachweise (Erläuterung des Auftragsnehmers wie Sozialstandards eingehalten werden - Variante 1 – oder Bescheinigung über die Einhaltung von Standards durch ein Sozialaudit – Variante 2) hierbei bevorzugt abgefragt bzw. eingereicht wurden, konnte noch nicht ausgewertet werden.
Die KNB selbst erhebt keine Daten zur Anwendung der Erklärung, bspw. in wie vielen Ausschreibungen die Erklärung genutzt wird. Somit lässt sich nicht konkludieren, ob sie in der Zwischenzeit zum Standard geworden ist. Weiterhin steht die KNB aber Einrichtungen bei Fragen zur Verfügung, wie die Erklärung angewendet werden kann. In der Diskussion wurde es weiter als allgemein wichtig betrachtet, die Erklärung zu fordern, um Firmen kontinuierlich mit den beinhalteten Forderungen zu konfrontieren.
Ein Jahr nach der Verabredung der Erklärung finden von KNB und BITKOM weitere Informationsveranstaltungen sowohl für Bieter als auch für öffentliche Einrichtungen statt. Ein Leitfaden ist ebenfalls in Arbeit und soll Ende 2020 veröffentlicht werden.
Betont wurde außerdem, dass jede Beschaffungsstelle natürlich über die Mindestanforderungen in der Erklärung jederzeit hinausgehen kann, um bspw. konkrete Schritte bzw. ein Konzept von den Bietern fordern (der „Dataport-Weg“). Auch die Einbeziehung von externen Fachorganisationen – wie Electronics Watch – wurde ausdrücklich als Option innerhalb der Verpflichtungserklärung genannt.
PowerPoint Präsentation zum Download hier.
Weiterführende Links:
Die Verpflichtungserklärung hier als pdf (bzw. hier inkl. weiterer Informationen und Infoveranstaltungen zur Erklärung abzurufen).
der „Dataport-Weg“ – bereits 2014 im LANDMARK-Projekt dargelegt und die dazugehörigen Vergabeunterlagen bereitgestellt, siehe hier.
Produkt-Informationsblatt zu „Informationstechnik“ der Kompetenzstelle für Nachhaltige Beschaffung finden Sie hier.
Auf dem digitalen Markt der Möglichkeiten hatten unterschiedliche Organisationen aus der Zivilgesellschaft und Firmenvertreter*innen die Möglichkeit ihre Arbeit vorzustellen. An jedem digitalen Stand wurden Informationsmaterialien zum Download bereitgestellt. Außerdem hatten die Aussteller*innen die Möglichkeit Videos und Links bereitzustellen. Die Stände waren besetzt und eine Interaktion war über einen öffentlichen Gruppenchat möglich. Vertrauliche Informationen konnten im Nachgang über private Chats ausgetauscht werden. Insgesamt sechzehn Organisationen und Firmen haben sich an Markt der Möglichkeiten beteiligt.
Liste aller Aussteller finden Sie hier.
Moderation und Zusammenfassung des Workshops: Christiane Mache, Bremer Entwicklungspolitisches Netzwerk (BeN)
Peter Pawlicki (Electronics Watch) und Thomas Starck (ITSH-edu) berichteten von dem Weg des Schleswig-Holsteinischen IT Verbandes zur Mitgliedschaft bei Electronics Watch sowie über den von der EW als Monitoring Organisation begleiteten Ausschreibungsprozess. Dieser führte schließlich zur Überarbeitung der Vertragsbedingungen. Neben Nachfragen zur Motivation, sich einer Monitoring Organisation anzuschließen, zu den Herausforderungen die sich während des Ausschreibungsprozesses zeigten und den aktuellen Vertragsbedingungen von Electronics Watch, beschäftigte die Teilnehmenden insbesondere die Frage, ob durch die Forderung von sozialen Kriterien das Feld der potentiellen Bieter nicht zu klein für einen erfolgreichen Abschluss des Beschaffungsprozesses werden würde. Diese Befürchtung konnte beide Sprecher allerdings ausräumen.
Peter Pawlicki stellte die neuen Vertragsbedingungen von Electronics Watch vor, die die Grundlage für die Aktivitäten der Monitoringorganisation für öffentliche Beschaffungsabteilungen sind. Die Vertragsbedingungen finden Sie hier.
Moderation und Zusammenfassung des Workshops: Heiko Reinhold (Entwicklungspolitisches Netzwerk Sachsen)
Der Workshop "Alles wie in der Textilindustrie? Sozialaudits bringen keine Verbesserungen!?" brachte Dr. Gisela Burckhardt von FEMNET bzw. der Clean Clothes Campaign und Martin Eichenseder von TCO development ins Gespräch.
Den Vortrag von Dr. Gisela Burckhardt finden Sie hier und den von Martin Eichenseder hier.
Gisela Burckhardt berichtete zunächst über ihre langjährigen Erfahrungen aus der globalen Textilindustrie und wie Sozialaudits genutzt werden, um Fabriken zu überprüfen – leider zeigt sich, dass anerkannte Zertifizierungen nicht zwingend auch gute Arbeitsbedingungen bedeuten. Große Unfälle, zum Teil mit Todesfolge, wurden durch zweifelhafte Kontrollen nicht vermieden. (u.a. hervorgehoben in der Studie der Clean Clothes Campaign 2019, „Fig Leaf for Fashion“ und dem Fazit: Sozialaudits bringen keine Verbesserungen für Arbeitsbedingungen.)
Martin Eichenseder stellte demgegenüber den Ansatz und die Praxis von TCO Certified als "weltweit umfassendste Nachhaltigkeitszertifizierung für IT-Produkte" vor. Für TCO ist eine der Lehren aus der Diskussion um Sozialaudits, sich bspw. Einen eigenen Zugang zu den Fabriken zu ermöglichen und alle Firmen, die in einer Fabrik herstellen lassen in die Verantwortung zu nehmen, wenn sie ihre produzierten Waren von TCO zertifizieren lassen. Leitmotto ist dabei immer: ein Audit ist niemals das Ende eines Prozesses zu Verbesserung von Arbeitsbedingungen, sondern immer ein Anfang, dem weitere und kontinuierliche Schritte folgen müssen.
Für TCO hat dabei immer die Herstellung und Nutzung im Blick, mittlerweile sind über 3.500 Produkte zertifiziert.
Leider war es in diesem Workshop schwer, eine Vergleichbarkeit von Textil- und IT-Industrie herzustellen. Auch bei der Frage, ob Sozialaudits grundsätzlich zu hinterfragen sind, konnte kein Konsens erzielt werden. Ein Grund dafür ist sicher, ob aus Sicht der Hersteller/Marken geblickt wird, aus Sicht der Käufer oder der Beschäftigten in den weltweiten Lieferketten.
Klar wurde jedoch, dass Sozialaudits keine allumfassende Gewähr für die Einhaltung von Menschenrechten leisten und kein Nachhaltigkeitssiegel bilden, den Beschaffungsverantwortliche blind vertrauen sollten.
Hierzu ist die Studie „Figleaf for Fashion“ der Kampagne für saubere Kleidung zu empfehlen. Download hier.
Eine englischsprachige Übersicht über die TCO Kriterien finden Sie hier.
TCO zertifizierte Produkte finden Sie hier über den Productfinder.
Moderation: Simone Ludewig (Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein)
Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Lieferkettengesetz soll noch in dieser Legislatur kommen. Es würde einen gesetzlichen Rahmen für soziale und ökologische Sorgfaltspflichten schaffen. Eine gesetzliche Verpflichtung auf soziale und ökologische Mindeststandrads in Lieferketten wird die gesamte IT-Branche vor Fragen nach Risiken und angemessenen Gegenmaßnahmen stellen.
Teil 1: Aus der Praxis berichtet Siegfried Dewaldt von Hewlett-Packard, darüber wie Nachhaltigkeitsaspekte in die Produktion integriert werden konnten und welchen Herausforderungen sich das Unternehmen dabei gestellt hat. Wir sprechen darüber, warum HP der gesetzlichen Sorgfaltspflicht grundsätzliche positiv gegenübersteht und welchen Unterschied das Gesetz für HP machen würde?
Hier geht’s zur Präsentation.
Das digitale Kamingespräch wurde genutzt, um in kleiner Runde über die Erkenntnisse des ersten Tages zu reflektieren.
Eine weitere Gruppe hat an dem Lötworkshop von Lena Becker (Nager IT/Fair IT yourself) teilgenommen. In der Vorbereitung auf die Konferenz wurde den Teilnehmenden Löt-Sets zugeschickt und unter Anleitung wurde gelötet. Am Ende konnten alle Teilnehmenden eine faire Maus zusammenschrauben. Informationen zum Projekt finden Sie hier.
Fair IT yourself wurde gegründet, um die Idee der fairen IT weiter zu verbreiten und das faire Produktangebot zu erweitern. In interaktiven Workshops wird vermittelt, wie die Lieferkette von Elektronikprodukten fairer gestaltet werden kann. Der Fokus liegt dabei darauf, das Thema (un-)faire IT-Produktion erlernbar und erlebbar zu machen, z.B. durch Fabrikbesuche und die konkrete Lieferkettenanalyse einzelner Produkte
Freitag, 4. September 2020
Moderation und Zusammenfassung: Achim Trautmann, BUND Koblenz
Software ist in den letzten Jahren immer komplexer geworden. Durch die zusätzlichen Funktionen ist der Energieverbrauch gestiegen, stellte Marina Köhn vom Umweltbundesamt vor. Ihr Vortrag findet sich [bald] hier. Die Komplexität der Software hat außerdem zur Folge, dass selbst funktionsfähige Hardware aus dem Markt genommen werden muss (Hardware-Obsoleszenz), weil sie die Leistungsanforderungen der Software nicht mehr erfüllen kann. Diese Erkenntnisse wurde in einem Forschungsvorhaben erarbeitet und darauf aufbauend wurde die Umweltwirkung von Software kenntlich gemacht. Untersucht wurden u.a. Textverarbeitungsprogramme und Browser. Bei der Betrachtung von Green-IT stand bisher immer die Hardware im Fokus. Die Software ist für den Energieverbrauch jedoch maßgeblich verantwortlich. Daher wurden Eigenschaften für die Kriterien des Blauen Engels erarbeitet. Dazu gehören u.a. Ressourceneffizienz, Nutzungsdauer und Nutzungsautonomie. Das Umweltbundesamt hat einen entsprechenden Beschaffungsleitfaden veröffentlicht. Zukünftig wird es eine Weiterentwicklung der Vergabekriterien für Client Server-Anwendungen und Apps für das Smartphone und Tablet geben.
Die Open Source-Strategie des Landes Schleswig-Holstein stellte Dr. Nils Trares-Wrobel vom Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein vor. Sein Vortrag findet sich [bald] hier. Im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung sind die digitale Souveränität (Datenschutz), die Wirtschaftlichkeit und ein geringer Energieverbrauch von entscheidender Bedeutung. Der Klimaschutz und die Hoheit über die Daten sind dabei die grundlegenden Ziele. In Schleswig-Holstein wird begonnen offene Software bei Office-Programmen und in der Bürokommunikation zu verwenden. Dies soll zukünftig auch in den Bereich des Web-Arbeitplatzes und zu einem Wechsel des Betriebssystems führen.
In der Kooperationsgruppe Green-IT im IT-Planungsrat, der sich aus Bund, Ländern und Kommunen zusammensetzt, erfolgt eine langfristige Planung zur Beschaffung von IT-Produkten. Hier setzt sich Schleswig-Holstein dafür ein IT-Produkte einzusetzen, die über den gesamten Lebenszyklus von der Herstellung bis Entsorgung möglichst nachhaltig sind. Es soll daran gearbeitet werden Regeln für die Beschaffung bundesweit zu harmonisieren und in Vergabeordnungen zu regeln sowie Beschaffungsrichtlinien zu erstellen.
Weiterführende Links zum Thema:
Informationen zum Blauen Engel für ressourcen- und energieeffiziente Softwareprodukte finden Sie hier.
Ein Interview mit Marina Köhn zur Beschaffung umweltfreundlicher Software finden Sie hier im Vergabeblog.
Und hier finden Sie die Pressemitteilung zum Open-Source-Bericht der Landesregierung Schleswig-Holstein.
Die Teilnehmenden diskutierten lebhaft die verschiedenen Möglichkeiten, wie Nachhaltigkeitsaspekte in Vergabeverfahren verankert werden können. Dabei wurde unter anderem erörtert, ob es im Bereich der IT belastbare Siegel und Zertifikate gibt und wie alternative Nachweissysteme ausgestaltet sein können. Ein besonderer Schwerpunkt kam den besonderen Ausführungsbedingungen von Bitkom und KNB zu, bei denen diskutiert wurde wie diese in das Vergabeverfahren integriert werden können und wie das vertragliche Sanktionssystem ausgestaltet ist. Dabei stellte sich auch die Frage ob und in welchem Umfang diese Ausführungsbedingungen einer AGB Kontrolle unterliegen.
Die Präsentation finden Sie hier.
Links und Informationsmaterialien:
Leitfaden über die rechtlichen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von sozialen Kriterien in der IT-Beschaffung, André Siedenberg, anlässlich der Konferenz 2019 in Leipzig: Download hier.
Die Seite des Kompass Nachhaltigkeit der SKEW, auf der auch die Produktgruppe IT-Geräte ausgewählt werden kann, um passgenau Vorgaben für die eigene Ausschreibung zu generieren, finden Sie hier.
Hier finden Sie weitere Informationen zur kostenfreien Rechtsberatung für Kommunen.
Und hier steht der Praxisleitfaden von WEED e.V. aus dem Jahr 2016 mit ausführlichen Beispielen in nachhaltiger IT-Beschaffung zum Download bereit.
Im Interview mit Sven Thomsen – seit 2013 Chief Information Officer (CIO) der Landesregierung Schleswig-Holstein – fragte Projektleiter Markus Schwarz vom Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V. nach der Bedeutung von Nachhaltigkeit und damit auch sozial verantwortlichem Einkauf im Themengebiet Digitalisierung der Landesregierung. Sven Thomsen unterstrich dabei, dass sich die Landesregierung bei der Festlegung der strategischen Ziele im Bereich der IT und deren Umsetzung sehr wohl ihrer Verantwortung und Rolle als Einkäuferin bewusst ist. Es sei wichtig, hier eine politischere Herangehensweise an Beschaffung zu leben, die gesamtgesellschaftliche Aufgabe von Digitalisierung zu sehen und ein deutliches Signal in den Markt zu senden, dass soziale Kriterien entlang der Lieferkette zu berücksichtigen sind.
Herr Thomsen hob hervor, dass es hierbei natürlich weiterhin des Druckes der Zivilgesellschaft auf die Politik und Verwaltung wie auch der Unternehmen bedarf – diese Konferenzen seien in diesem Zusammenhang von enormer Wichtigkeit – und gerade durch diesen Druck, es sich keine öffentliche Stelle mehr erlauben kann, sich nicht um die Produktionsbedingungen von IT-Geräten zu kümmern. Auf der anderen Seite merke auch sein Haus, dass immer mehr Unternehmen mit ihren Ansätzen einer nachhaltigen Produktion werben – hier sei spannend zu beobachten, welche Bewertungs- und Nachweissysteme sich entwickeln und inwiefern diese zu konkreten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen beitragen.
Dass es in Schleswig-Holstein mit dem Beispiel der Universitäten und dataport als IT-Dienstleister bereits seit Jahren Vorreiter in dem Bereich der Berücksichtigung von Sozialstandards gibt, erleichtere für das Digitalisierungsministerium des Landes die Aufgabe natürlich erheblich. An diesem Beispiel wolle man sich orientieren und bei nächsten Ausschreibungen drüber hinausgehen
Die aktive Kontrolle und Forderungen nach Nachweisen von Unternehmen über die Einhaltung von Arbeitsstandards als Auftraggeber, sei hier die logische Weiterentwicklung. Hierbei weitere Fachorganisationen hinzuziehen, die diese Kontrolle übernehmen können, wäre dann entsprechend das nötige „schärfere Schwert“, welches Auftraggeber in die Hand nehmen sollten und woran weitergearbeitet werden müsse. Das Land nehme sich hier bspw. vor, stärker die Zusammenarbeit mit Electronics Watch zu suchen.
Ebenso spiele die Ausrichtung des Landes in Richtung Open Source (siehe Workshop 2 am Freitag, 04.09.) eine wichtige Rolle, nicht nur die Datensicherheit zu erhöhen, aber auch die Langlebigkeit von Hardware zu verbessern. Diese Aspekte wurden u.a. auch nun bei der Digitalisierung der Schulen im Land berücksichtigt.
Weitere Informationen zu Digitalisierung und dem zentralem IT-Management der Landesregierung und CIO Land Schleswig-Holstein finden Sie hier.
Fazit und Erkenntnisse
Insgesamt konnte ein positives Fazit der Konferenz gezogen werden und viele Rückmeldungen belegen, dass auch die digitale Variante angenommen und für fruchtbare Diskussionen zum Thema genutzt wurde. Die inhaltliche Auseinandersetzung der letzten Jahre um Herausforderungen bei der nachhaltigen IT-Beschaffung konnte fortgeführt und intensiviert werden. Gerade was den Fokus auf Arbeitsbedingungen und deren wirkungsvolle Kontrolle betrifft, konnten wichtige Aussprachen über die Zusammenarbeit von NGOs mit Unternehmen oder die Herausforderung von Audits geführt werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Verhandlungen zu einem Lieferketten- bzw. Sorgfaltspflichtengesetz in Deutschland und Europa zeigte sich deutlich, dass bereits viele Unternehmen der IT-Branche zeigen, dass die Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette möglich ist und die Einforderung dieser Anstrengungen von Seiten der öffentlichen Hand stärker gefordert und honoriert werden müsste.
Der Eingangsvortrag über die Arbeit von Electronics Watch verdeutlichte nochmal eindringlich, dass die Arbeit von Arbeitsrechtsorganisationen essentiell ist, um Missstände in Produktionsstätten aufzudecken und allgemein die Einbeziehung und Repräsentation von Arbeiter*innen und Gewerkschaften in den Fabriken entscheidend für Verbesserung der Bedingungen vor Ort ist.
Die Konferenz zeigte, dass viele Herstellerfirmen hier bereits Mechanismen und Systeme eingeführt haben, um Arbeitsstandards in Zulieferbetrieben zu gewährleisten. Weiter ist allerdings der Druck der Zivilgesellschaft in Europa wie vor Ort und Beschaffungsstellen gefordert, welche nach den konkreten Maßnahmen zur Einhaltung von Arbeitsrechten fragen und den Input von Fachorganisationen außerhalb der Fabriken nutzen, um Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu erwirken.
Beschaffungsstellen können – so zeigen die Beispiele und Anregungen der Konferenz – weiterhin sehr viel tun und dazu beitragen, dass Firmen diese konkreten Schritte, Nachweise und die Einbeziehung von Arbeitsrechtsorganisationen vornehmen. Allen voran ist durch die Verpflichtungserklärung 2019 ein Mindeststandard entstanden, auf welchen sich das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern (BeschA) und Bitkom verabredet haben. Diese Erklärung in Ausschreibungen zu nutzen und damit ein erstes Signal in den Markt zu senden, sollte für die meisten Beschaffungsstellen möglich und geboten sein.
Die Diskussionen auf der Konferenz v.a. über die Erkenntnis, dass Sozialaudits nicht etwa das Ende der Verantwortung von Unternehmen sind, sondern immer erst ein Anfang, oder dass Firmen den Input von Arbeitsrechtsorganisationen benötigen und begrüßen um mehr Missstände bei Verletzungen von Sozialstandards aufzudecken, zeigen allerdings auch, dass es weiter mutige Beschaffungsstellen braucht. Als öffentliche Einrichtung gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und über Mindestanforderungen an Nachweise über Arbeits- und Menschenrechten hinauszugehen, bspw.:
- durch den Einkauf von Produkten, die unter sozial verantwortliche Bedingungen hergestellt wurden (wie die „fairste Computermaus“ Nager-IT)
- durch die Mitgliedschaft bei Electronics Watch, wie es bereits die Universitäten in SH vorgemacht haben und positive Entwicklungen berichten können
- durch das fordern ambitionierter Maßnahmen von Auftragnehmern in einem Konzept, wie Arbeitsrechte und –bedingungen im Rahmen der Vertragsausführung verbessert werden (der „dataport-Weg“, https://www.dataport.de/fachartikel/wir-moechten-es-genau-wissen/)
Die in 2020 und in den vorherigen Konferenzen aufgezeigten Beispiele solcher Beschaffungsstellen sind enorm wichtig, um die konkreten Verbesserungen der Arbeitsbedingungen aufzuzeigen und so weitere Einrichtungen zu motivieren, die Bedeutung und Wichtigkeit von Sozialstandards entlang der Lieferkette zu thematisieren, im kommenden Vergabeverfahren zu berücksichtigen und in Zusammenarbeit mit Auftragnehmern und Herstellern, zielführende Maßnahmen zu vereinbaren.
Zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland und in den Produktionsländern werden weiterhin nachfragen, wie Beschaffungsstellen ihrer Verantwortung hierbei nachkommen und aufzeigen, wie diese Verantwortung entlang der Lieferketten eingehalten werden kann.
Die Konferenzreihe zu sozialverantwortlicher IT-Beschaffung wird auch in den kommenden Jahren weitergehen und genau diese Fragen weiterbearbeiten. Für 2021 ist das Bremer Entwicklungspolitische Netzwerk (BeN) in Vorbereitung, die Konferenz auszurichten, und für 2022 steht das Eine Welt Landesnetzwerk Bayern in den Startlöchern, die Veranstaltung wieder im Süden Deutschlands stattfinden zu lassen.
Wir hoffen, dass die Konferenz 2020 einen Beitrag dazu leisten konnte, dass sie sich in ihrer Kommune und Region für nachhaltige Beschaffung von IT-Geräten einsetzen, als Beschaffungsstellen motiviert und fachlich geschult sind, Sozialkriterien in ihrer nächsten Ausschreibung von IT zu fordern, und so Unternehmen unterstützen, welche bereits weitreichende Maßnahmen durchführen, entlang ihrer Lieferketten Menschen- und Arbeitsrechte zu schützen.
Auf ihre positiven Anregungen, Beispiele und Erfahrungen über die Stärkung von Menschen- und Arbeitsrechten weltweit freuen wir uns dann auf der nächsten Konferenz!
Markus Schwarz & Wiebke Schümann
Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V.